Sir Alec Guinness (1914–2000)

Ich spürte, dass mein Herz zu rasen begann, immer stärker, je näher mir der alte Mann kam. Einen weißen Bart wie in „Krieg der Sterne“ trug er schon lange nicht mehr, und man konnte ahnen, dass auch unter seinem Hut nicht mehr viel von der weißen Haarpracht des Jedi-Ritters übrig geblieben war. Unverkennbar waren jedoch seine Augen, sein Vertrauen erweckender Blick, der mich in jedem seiner Filme fasziniert hatte.

Mario in Das Jahr der zwei Welten

 

 

Geboren wurde Alec Guinness am 2. April 1914 in London. Seine Mutter Agnes Cuffe hatte als Dienstmädchen im Hause des Bankiers Andrew Geddes gearbeitet, Guinness’ Vater, dessen Name in der Geburtsurkunde aber unerwähnt blieb. Stattdessen stellte ein aus der Bierbrauer-Dynastie stammende Freund für diesen „Fehltritt“ seinen Namen zur Verfügung – das war zu jener Zeit in England so Sitte.

 

Nach einer kurzen, gescheiterten Ehe mit einem schottischen Hauptmann fand Agnes Cuffe wieder Arbeit in einem Londoner Hotel, das ihren Sohn als Aufzugsdiener mitbeschäftigte. Alec begegnete hier einer ehemaligen Zirkusartistin, die ihn in ein Varieté-Theater mitnahm. Den Achtjährigen faszinierte dort vor allem eine Schauspielerin, die in immer neuen Verkleidungen auftrat, also jene Wandlungsfähigkeit bewies, die später auch sein Markenzeichen werden sollte.

 

1932 schloss Guinness die Schule ab und arbeitete anschließend als Anzeigentexter in einer Werbeagentur. In der Freizeit besuchte er Vorstellungen des Old Vic Theatre, lernte Rollen auswendig und bewarb sich schließlich an der Royal Academy of Dramatic Art. Um sich auf das Vorsprechen vorzubereiten, nahm er auf Empfehlung des damals schon berühmten John Guilgud Unterricht bei einer Schauspiellehrerin, die ihn allerdings nach sechs Stunden als unbegabt aufgeben wollte. Alecs Glauben an sich selbst war jedoch ungebrochen, und damit beeindruckte er seine Lehrerin so sehr, dass sie ihn ohne Bezahlung weiterunterrichtete.

 

Guinness bekam schließlich ein Stipendium am Fay Compton Studio of Dramatic Art. Nach seinem Abschluss spielte er drei Rollen in Noel Langleys Queer Cargo: einen chinesischen Kuli, einen französischen Piraten und einen britschen Seemann. 1934 stand er zehn Monate lang als Osrick in John Guilguds Inszenierung des Hamlet auf der Bühne und erhielt anschließend einen Zwei-Jahres-Vertrag am New Theatre. 1935 heiratete er seine Bühnenpartnerin Merula Salaman, die daraufhin ihren Beruf aufgab. 1937 wechselte Guinness ans Old Vic und spielte dort in mehreren Shakespeare-Inszenierungen; später bekam er auch Rollen in modernen Stücken.

 

1939 sah ihn der Filmregisseur David Lean als Herbert Pocket in Große Erwartungen von Charles Dickens und bot ihm diese Rolle 1946 in seiner Romanverfilmung an. Die folgenden Filmrollen machten Guinness später weltberühmt (Auswahl):

 

Faigin in Oliver Twist, 1948

Familie D’Ascoyne in Adel verpflichtet, 1949

Benjamin Disraeli in Der Dreckspatz und die Königin, 1950

George Bird in Ferien wie noch nie, 1950

Sidney Stratton in Der Mann im weißen Anzug, 1951

Henry Holland in Einmal Millionär sein, 1951 (Oscar-Nominierung)

Pater Brown in Die seltsamen Wege des Pater Brown, 1954

Der Kardinal in Der Gefangene, 1955

Professor Marcus in Ladykillers, 1955

Prinz Albert in Der Schwan, 1956

Captain Ambrose und dessen Ahnen in Kapitän Seekrank, 1957

Oberst Nicholson in Die Brücke am Kwai, 1957 (Oscar: Bester Hauptdarsteller)

John Barrett und Graf Jacques de Gue in Der Sündenbock, 1958

Gulley Jimson in Des Pudels Kern, 1958 (Oscar-Nominierung für Guinness’ Drehbuch)

Jim Wormold in Unser Mann in Havanna, 1959

Oberstleutnant Joc Sinclair in Einst ein Held, 1960

Fürst Feisal in Lawrence von Arabien, 1962

General Yevgraf Zhivago in Doktor Schiwago, 1965

Herr Frick in Lage hoffnungslos – aber nicht ernst, 1965

Pol in Das Quiller Memorandum, 1966

Major Jones in Die Stunde der Komödianten, 1967

Karl I. in Cromwell, 1970

Adolf Hitler in Hitler – Die letzten zehn Tage, 1973

Butler Bensonunum in Eine Leiche zum Dessert, 1976

Ben Kenobi in Krieg der Sterne, 1977 (Oscar-Nominierung)

Der Earl of Dorincourt in Der kleine Lord, 1980

Sigmund Freud in Lovesick, 1983

Professor Godbole in Die Reise nach Indien, 1984

Der Monsignore in Monsignore Quixote, 1985

William Dorrit in Little Dorrit, 1987 (Oscar-Nominierung)

Mr. Todd in Eine Handvoll Staub, 1988